TTIP: für Europa keine Bedrohung sondern eine historische Chance

Wahlkreis - 26. März 2015

Zurzeit verhandelt die Europäische Union mit den Vereinigten Staaten von Amerika über ein Freihandelsabkommen, das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP). Die kontrovers diskutierten Verhandlungen sollen noch bis zum Ende dieses Jahres abgeschlossen werden.

Entschließungen der EU, über die Schaffung einer Freihandelszone mit den USA zu verhandeln, gab es schon in den 90-ger Jahren. Die konkreten Bestrebungen um das Transatlantische Freihandelsabkommen, kurz TTIP, fanden im Juni 2013 mit der Aufnahme der Verhandlungen ihren Auftakt.

Seitdem wird, gerade hier in Deutschland, eine heiße öffentliche Debatte zum TTIP geführt. Diese wir leider überwiegend beherrscht von negativen Impulsen, Fehlinformationen und einseitiger, ja sogar Panikmache gleichender, Konzentration auf Detailfragen.

Dabei bietet ein ambitioniertes Handels- und Investitionsabkommen aus meiner Sicht in mehrfacher Sicht ein großes Potential.

1) Wirtschaftlich: Die EU und die USA sind die größten Wirtschaftsräume der Welt. Die transatlantische Wirtschaft umfasst fast 50 Prozent des weltweiten BIP und ein Drittel des weltweiten Handels. Die USA sind dabei Deutschlands wichtigster Handelspartner außerhalb der EU: Das jährliche bilaterale Handelsvolumen beläuft sich auf rund 140 Mrd. Euro. Darüber hinaus sind USA und EU füreinander die größten Zielmärkte für ausländische Direktinvestitionen. Somit sichert die transatlantische Wirtschaft Millionen von Arbeitsplätzen auf beiden Seiten des Atlantiks.

Deutschland als Exportweltmeister ist auf den Freihandel angewiesen und es war immer schon in unserem Interesse diesen auszuüben. Vor dem Hintergrund, dass auch in Asien und Südamerika bereits große Handelsblöcke bestehen, bietet das Abkommen mit den USA die beste Grundlage, um uns auch in Zukunft im globalen Wettbewerb zu behaupten. Mittlerweile gibt es rund 200 ähnliche Verträge der Europäischen Union mit weiteren Staaten. Sie bilden die notwendige Basis für einen erfolgreichen internationalen Handelsaustausch.

Wir brauchen Freihandelszonen für Wachstum. Der Abbau von Handels- und Investitionsbarrieren – wie im TTIP anvisiert – würde den Marktzugang erhöhen, unnötige Kosten senken, unnötige Bürokratie abbauen und so zu Beschäftigung und Wachstum führen. TTIP kommt den Bürgern genauso zugute wie die Handelspolitik in den vergangenen 50 Jahren. Das gilt insbesondere für den Exportweltmeister Deutschland und seine vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die massiv von erleichterten Rahmenbedingungen profitieren würden.

Denn nichttarifäre Handelshemmnisse stellen im transatlantischen Handel die größten Hindernisse dar und bergen somit auch das größte Potenzial für Kostenreduzierungen, die allen Unternehmen und auch Verbrauchern zugutekommen. Für die Konsumenten bedeutet das ein größeres Warenangebot, niedrigere Preise und mehr Arbeitsplätze. Prognosen zufolge wird das TTIP die Wirtschaft der EU um rund 120 Milliarden Euro und die Wirtschaft der USA um 95 Milliarden Euro ankurbeln. Bis zu 400.000 neue Arbeitsplätze sollen allein in Europa entstehen. Dafür ist ein ambitioniertes Abkommen, das über den Zollabbau hinausgeht, nötig.

2) Strategisch: Als größte Wirtschaftsräume der Welt können EU und USA in den TTIP-Verhandlungen gemeinsam Regeln und Standards entwickeln, die auch jenseits des transatlantischen Marktes und für das Welthandelssystem attraktiv sein können. Das TTIP gibt die Chance, gemeinsam hohe Sicherheitsstandards zu setzen und unseren westlichen Normen weltweit mehr Geltung zu verschaffen (gerade gegenüber Russland und China). Ein Freihandelsabkommen bedeutet nicht, dass wir des Abkommens willen das erreichte Schutzniveau in Europa zur Verhandlungssache machen, – ganz im Gegenteil. Wir haben die Chance, diese hohen Standards zu exportieren.

Fakt ist übrigens, dass die Amerikaner bei Medizin und Lebensmitteln z.T. höhere Auflagen erfüllen als wir Europäer. Verbraucherstandards bei der Lebensmittelproduktion werden mit dem TTIP nicht aufgeweicht. Auch wichtig: Die öffentliche Daseinsvorsorge bleibt von dem Abkommen unberührt, d.h. die viel debattierte Privatisierung der Trinkwasserversorgung hat nichts mit TTIP zu tun. Kein Freihandelsabkommen verpflichtet Mitgliedsstaaten zur Liberalisierung oder Privatisierung der Wasserversorgung oder anderer öffentlicher Dienstleistungen, z.B. des öffentlichen Gesundheitswesens, des öffentlichen Verkehrswesens oder des Bildungswesens.

3) Geopolitisch: Die jetzigen Konflikte in der Welt, sei es in der Ukraine, sei es im Mittleren Osten oder sei es auch die zunehmende Rivalität im Südchinesischen Meer, lassen eines völlig klar werden: In Zukunft brauchen wir für Frieden und Wohlstand in Europa und der Welt eine starke und verlässliche Partnerschaft zwischen Europa und Nordamerika. Die transatlantische Partnerschaft ist mit Blick auf die globalen Machtverschiebungen von richtungsweisender Bedeutung, auch mit Blick auf die Welt, in der unsere Kinder eines Tages leben werden. TTIP institutionalisiert die transatlantische Zusammenarbeit weiter und stärkt sie politisch.

 

Wir wollen diese Vorteile für uns, für Deutschland und die EU: Mehr Wohlstand, niedrigere Preise, die transatlantische Partnerschaft ausbauen. Dann müssen wir aber auch damit leben können, dass sich eventuell etwas ändert. Diese Änderungen sind nicht zwangsläufig negativ, auch wenn sie in der Öffentlichkeit überwiegend so dargestellt werden. Aggressive Kampagnen wie die von Attac, Greenpeace, Peta oder Campact mobilisieren schon seit Monaten mit Slogans wie „Unfairhandelbar“ oder „Stoppt das TTIP“. Verständliches Unbehagen gegen ein Projekt, das man vielleicht nicht so ganz versteht und das sehr komplex ist, wird so ausgenutzt.

Grund für diese Unbehagen ist unter anderem, dass die Politik den Bürgern das TTIP nie richtig erklärt und nahe gebracht hat. Die anti-TTIP Kampagnen hingegen spielen mit den Ängsten der Leute, das ominöse „Chlorhühnchen“ wird zum Symbol gemacht.

Natürlich gibt es angesichts eines so umfangreichen Zusammenschlusses (es entsteht immerhin der größte Wirtschaftsraum der Welt) auch Befürchtungen, die ernst zu nehmen sind. Daher bedanke ich mich ausdrücklich für Ihre E-Mails und Briefe. Den Bürgern und ihren Initiativen ist zu verdanken, dass die EU transparenter im Umgang mit Verhandlungsdokumenten und Abläufen geworden ist. Die Veröffentlichung des Verhandlungsmandates und erster konkreter Textvorschläge für das Freihandelsabkommen empfinde ich als einen wichtigen Schritt. Gerade mit dem Thema Schiedsgerichte, einem umstrittenen Aspekt des Abkommens, wird jetzt offen umgegangen. Dies ist im Sinne aller. Mehr Transparenz ermöglicht auch bessere Diskussionen und ein besseres Verständnis der Materie. Es ist daher zu begrüßen, wenn möglichst viele Informationen über die Verhandlungen öffentlich gemacht werden.

Es ist ebenfalls klar festzuhalten, dass es bei den jetzigen Verhandlungen vor allem um einen Dialog geht. Wir sollten nicht über das Ziel hinausschießen, keine Werte aufgeben, wie z.B. den Verbraucherschutz, Bereiche wie Umweltschutz oder Arbeitnehmerrechte. Diese Aspekte dürfen nicht leiden. So wird es im Verlauf der Verhandlungen immer möglich sein, Teilbereiche aus dem Abkommen auszuklammern. Als erfolgreiches Vorbild dient das neue Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA): Der im vergangenen Jahr vorgelegte Vertrag sichert unsere hohen Schutzstandards in eben diesen Teilbereichen. Ein bereits bestehendes Gesetz kann nicht durch ein Handelsabkommen „ausgehöhlt“ werden. Und die Extraregelung zum Investitionsschutz schafft Rechtssicherheit und Berechenbarkeit für Unternehmen.

Innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, um den Meinungs- und Willensbildungsprozess mit größtmöglicher Transparenz und Einbeziehung der Bürger aktiv zu unterstützen. Kein Papier geht in die Verhandlungen, ohne dass die EU die Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament konsultiert. Am Ende muss das Abkommen nach normalen parlamentarischen Regeln ratifiziert werden.

Das TTIP ist für Europa keine Bedrohung sondern eine historische Chance, seinen Stellenwert in der Welt und der Weltwirtschaft zu sichern. Kein EU-Land wird so sehr von dem Abkommen profitieren wie Deutschland. Unser Land ist durch den Export groß und stark geworden, deswegen sollten wir ein besonderes Interesse an dem Abkommen haben. Freihandel führt zu mehr Wirtschaftswachstum. Eigentlich sollte das niemand so gut wissen wie wir Deutschen.

 

Weitere Informationen:

Das TTIP-Verhandlungsmandat

Wer verhandelt TTIP?

Stand der Verhandlungen

Verhandlungstexte nach Kapiteln