Es ist weiter heiß in Deutschland, besonders Landwirte leiden unter der anhaltenden Dürre. Viele Tierhalter stehen vor der Frage, wie sie ihre Tiere noch ernähren können. Futter fehlt, Getreide vertrocknet, die Kartoffelernte bricht weg. Der Bauernverband fordert wegen bedrohlicher Einbußen rasche Hilfen von möglichst einer Milliarde Euro. Welche Hilfen möglich sind und ob ein nationaler Notstand ausgerufen wird, darüber haben wir mit unserem Landwirtschafts-Experten Albert Stegemann gesprochen.
Herr Stegemann, in allen Bundesländern hat es in den letzten Wochen nicht ausreichend geregnet. Der Bauernverband fordert wegen der anhaltenden Dürre jetzt, den nationalen Notstand auszurufen, damit finanzielle Hilfen von Bund und Ländern zügig bereitgestellt werden können. Kritische Stimmen sagen, es sei unternehmerisches Risiko, dass die Erträge schwanken. Wie kann den Betrieben nun schnell geholfen werden?
Unsere Bauernfamilien arbeiten hart für unser tägliches Brot und hängen wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig von Einflüssen ab, die sie selbst kaum beeinflussen können. Sie sind damit einem sehr hohen individuellen unternehmerischen Risiko ausgesetzt; zugleich sind sie für unser aller Leben systemrelevant. Betrieben kann vor allem mit zinsgünstigen Darlehen geholfen werden. Die Landwirtschaftliche Rentenbank hat dazu bereits Ende Juni 2018 ihr Liquiditätshilfeprogramm für Betriebe geöffnet, die aufgrund der Trockenheit und Unwetter im Jahr 2018 Ertragseinbußen und Kostensteigerungen zu verzeichnen haben. Die Antragstellung erfolgt über die Hausbanken. Aber auch die Länder sind gefordert: Sie müssen Landwirte in den Regionen unbürokratisch unterstützen. Dazu gehört es auch, dass Landwirte Ernteausfälle bei der Ermittlung des Düngebedarfs als unvermeidliche Verluste berücksichtigen dürfen.
Für Hilfsmaßnahmen bei Extremwetterereignissen sind die Länder zuständig, bei Ereignissen von nationalem Ausmaß kann aber auch der Bund Hilfen leisten. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat angekündigt, dass sich der Bund an den Hilfen für die Landwirte beteiligen könnte, aber es soll der Erntebericht abgewartet werden – Ist es dann nicht schon zu spät?
Den präzisen Bedarf an Hilfen können wir erst nach Vorlage der Erntebilanz Ende August beziffern. Alles andere wäre zum jetzigen Zeitpunkt Spekulation. Es geht um Steuergelder und diese müssen gezielt und haushaltsrechtlich einwandfrei eingesetzt werden. Sobald belastbare Zahlen für ganz Deutschland vorliegen, müssen Bund und Länder so schnell wie möglich entscheiden, ob es sich bei der diesjährigen Dürre um ein Schadenereignis nationalen Ausmaßes handelt. Unter dieser Voraussetzung können betroffene Betriebe Bundeshilfen erhalten.
Viele sagen jetzt: Der wirtschaftliche Druck auf die Landwirte wäre ein anderer, wenn die Bürger nicht nur die Bereitschaft erklären würden, höhere Preise für Agrarerzeugnisse zu zahlen, sondern es auch täten. Müssen wir in der Landwirtschaft umdenken?
Die aktuelle Situation bietet die Chance, darüber nachzudenken, was uns eine familiengeführte, flächendeckende und regional verwurzelte Landwirtschaft wert ist, die Tag für Tag hochwertige Lebensmittel für uns alle erzeugt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben eine große Marktmacht. Dies gilt es zu nutzen, um gerade kleineren und mittleren Tierhaltern wirtschaftliche Perspektiven zu erhalten. Deshalb unterstützen wir Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner dabei, eine nationale Tierwohlkennzeichnung zu erarbeiten, mit der Kunden bewusste Kaufentscheidungen für mehr Tierwohl treffen können. Dabei muss klar sein, dass es mehr Tierwohl und eine heimische Landwirtschaft nicht zum Nulltarif gibt.