Landwirtschaft ist ein hochemotionales Thema

Landwirtschaft - 20. Juli 2019

Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, über gestiegene Anforderungen an die Führung des Bundeslandwirtschaftsministeriums, Chancen und Risiken einer Zusammenarbeit mit den Grünen und die Hausaufgaben der Großen Koalition im Interview mit AGRA-EUROPE.

AGRA-EUROPE: Die CDU besetzt erstmals nach 20 Jahren das Bundeslandwirtschaftsministerium. Hat sich das Warten gelohnt?

Stegemann: Das Ministerium ist wichtig für uns und ein Kernressort für die Union. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass sich die politische Landschaft kontinuierlich verändert hat. Landwirtschaftspolitik findet eben nicht im geschlossenen System statt. Vereinfacht gesagt: Vor 20 Jahren hat Agrarpolitik die Landwirte interessiert, aber sonst fast niemanden. Das hat sich grundlegend geändert und kann eine Chance sein. Politische Entscheidungen müssen gleichwohl noch mehr erklärt und gegen andere Interessen abgewogen werden. Aber noch grundsätzlicher ist aus meiner Sicht, dass Kompromisse, die in unserer demokratischen Gesellschaft unverzichtbar sind, von Teilen der Bevölkerung immer weniger akzeptiert werden. Zudem lässt sich aktuell feststellen, dass die Wählerinnen und Wähler weniger nach Inhalten, Sachthemen oder nach politischer Überzeugung ihr Kreuz machen, sondern nach einer Art Lebensgefühl. Dieses Lebensgefühl hat in weiten Teilen nichts mit der landwirtschaftlichen Realität zu tun und daher ist Landwirtschaft und auch Agrarpolitik nach meinem Eindruck sehr viel schwieriger geworden.

AGRA-EUROPE: Ist Julia Klöckner zu sehr Moderatorin und zu wenig Vertreterin bäuerlicher Interessen?

Stegemann: Julia Klöckner hat sehr früh die Notwendigkeit erkannt, unterschiedliche gesellschaftliche Interessen zusammenzuführen und miteinander zu versöhnen. Das ist ihr hoch anzurechnen, weil nur auf dieser Grundlage eine vernünftige Weiterentwicklung der Landwirtschaft im Dialog mit der Gesellschaft möglich ist.

AGRA-EUROPE: Gelingt ihr das, dieser gesellschaftliche Ausgleich?

Stegemann: Das geht nicht von heute auf morgen und kostet enorm viel Kraft, aber ihr gelingt es sehr gut und sie setzt sich mit großem Engagement ein. Es ist nun mal nicht einfach, es den vielen selbsternannten Ökos dieser Welt, die oft noch nie in Ihrem Leben einen realen Bauernhof besucht haben, immer recht zu machen.

AGRA-EUROPE: Man hat zeitweilig den Eindruck, in der Unionsfraktion gibt es Zweifel an der politischen Durchsetzungsfähigkeit der Ministerin. Wie sonst sind Ihre Aktivitäten in der Auseinandersetzung um die Düngeverordnung zu verstehen?

Stegemann: Wir haben in den schwierigen Verhandlungen des Bundeslandwirtschafts- mit dem Bundesumweltministerium sowie zwischen der Bundesregierung und der Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission unsere landwirtschaftlichen Positionen bekräftigt. Damit konnten wir durchaus noch Verbesserungen erreichen, etwa die angestrebte Herausnahme des Dauergrünlands von der 20 %-Unterdüngung in den roten Gebieten.

AGRA-EUROPE: Insbesondere Ihr letzter Vorstoß für verpflichtende Wasserkooperationen anstelle von Regelverschärfungen erschien allerdings eher als Misstrauensvotum gegen die Bundeslandwirtschaftsministerin und ihre Beamten denn als ernstzunehmender Vorschlag, zumal die Einigung der Ressorts zu diesem Zeitpunkt bereits so gut wie geritzt war…

Stegemann: Wir haben uns klar artikuliert und damit auch gegenüber der Landwirtschaft noch einmal deutlich gemacht, wofür wir als CDU/CSU stehen. Wir wissen, wie schwer die Verhandlungen mit dem Bundesumweltministerium und der Generaldirektion Umwelt waren und sind. Wir haben keinen Zweifel daran gelassen, dass wir die 20 %-Regelung für völlig überzogen halten. Dass sie nicht verhindert werden konnte, ist sehr bedauerlich. Uns ging es nicht um eine Attacke auf das Bundeslandwirtschaftsministerium oder gar die Ministerin.

AGRA-EUROPE: So konnte man es allerdings verstehen.

Stegemann: Das ist bedauerlich, war aber nicht unsere Absicht. Uns ging und geht es um die Überzeugungskraft des fachlichen Arguments.

AGRA-EUROPE: Gleichzeitig haben Sie bei Landwirten Erwartungen geweckt, die politisch von Anfang an kaum zu erfüllen waren…

Stegemann: Wir haben deutlich gemacht, wofür wir, CDU und CSU, stehen. Das war uns ein wichtiges Anliegen. Gerade vor dem Hintergrund der Diskussion mit dem Bundesumweltministerium.

AGRA-EUROPE: Werden Sie einen Düngekompromiss gegebenenfalls scheitern lassen, etwa wenn eine Änderung des Düngegesetzes nötig wäre?

Stegemann: Nein.

AGRA-EUROPE: Zweifel am Rückhalt der Ministerin in der Fraktion gibt es auch in Sachen Tierwohl. Stehen Sie hinter dem Ansatz für ein freiwilliges staatliches Label?

Stegemann: Ja. Mein Ziel ist eine verpflichtende europäische Kennzeichnung. Ich befürchte allerdings, die dafür notwendige  EU-weite Einigung auf Kriterien und einen einheitlichen Rechtsrahmen könnte noch mehrere Jahre  dauern. Wir können aber den Spatz in der Hand und später dann die Taube auf dem Dach haben – also freiwillig starten und parallel auf eine europäische Lösung hinarbeiten. Auf diese Weise hätten wir auch die Chance, die eingestellten Fördermittel zu nutzen, um so ein Label bekanntzumachen.

AGRA-EUROPE: Warum dann Kritik und Gemurre aus den Reihen der Fraktion statt einem klaren Bekenntnis zum Ressortentwurf?

Stegemann: Es gibt sowohl innerhalb unserer Landwirtschaftsarbeitsgruppe als auch mit einigen Ländern noch offene Fragen über den richtigen Weg, damit am Ende tatsächlich mehr Tierwohl gelingt. Hier läuft ein guter, ein demokratischer Diskurs in der Union. Wir sind dabei  im konstruktiven Gespräch, auch mit dem Ministerium. Unser Ziel ist eine gute und praktikable Lösung. Allerdings müssen wir am Ende auch immer den Koalitionspartner im Boot haben. Wir sind immer gerne bereit mit der SPD über eine tragfähige Lösung zu diskutieren – aber dann müssen die Sozialdemokraten auch tatsächlich an einer europarechtskonformen, umsetzbaren Lösung interessiert sein.

AGRA-EUROPE: Ein letztes Beispiel für eine mögliche Kluft zwischen Ministerium und Fraktion ist die Frage einer Öffnung der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und der dafür erforderlichen Grundgesetzänderung. Frau Klöckner hat die wiederholt öffentlich und mit Nachdruck gefordert, aus der Fraktion ist nichts dergleichen zu hören. Lassen Sie die Ministerin auflaufen?

Stegemann: Sie kennen die Bedenken der Agrarpolitiker, dass damit dringend notwendige Mittel der Landwirtschaft entzogen werden könnten. Gegen einen solchen denkbaren Mittelabfluss kann man politisch argumentieren, man kann es aber nicht im Zuge einer Verfassungsänderung ausschließen, dass so etwas geschieht. Es gibt darüber hinaus bei vielen anderen Kollegen bis hin zur Fraktionsspitze grundlegende Vorbehalte gegen einen Ausbau der Bund-Länder-Mischfinanzierung.

AGRA-EUROPE: Daran wird sich in dieser Legislaturperiode auch nichts mehr ändern?

Stegemann: Es besteht hier jedenfalls weiter Klärungsbedarf. Deshalb ist in den kürzlich im Bundeskabinett vorgestellten Schlussfolgerungen zur Arbeit der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ ja festgehalten, dass die rechtliche Umsetzung zu besprechen wäre..

AGRA-EUROPE: In keiner anderen Fraktion ist der Anteil der Landwirte so hoch wie in der CDU/CSU. Sind Sie in eigenen Reihen noch ähnlich politisch einflussreich wie in der Vergangenheit?

Stegemann: Auch wenn ich die Vergangenheit überwiegend vom Hörensagen kenne, sage ich Ja. Wir sind zum einen bei vielen Kolleginnen und Kollegen aus ländlichen Wahlkreisen gefragt, die immer wieder mit landwirtschaftlichen Fragestellungen konfrontiert sind. Zum anderen hat die Agrarpolitik für die Union nach wie vor einen hohen Stellenwert. Das ist bei den anderen Fraktionen so nicht der Fall. Rund 60 Prozent der Landwirte haben bei der Europawahl 2019 Union gewählt, das ist Vertrauensbeweis und Verantwortung zugleich. Dass unsere Argumente innerhalb der Fraktion gehört werden, hat nicht zuletzt die entgegen heftiger Widerstände beschlossene zweijährige Fristverlängerung für die betäubungslose Ferkelkastration gezeigt.

AGRA-EUROPE: Wie ändert sich die Agrarpolitik der Union angesichts einer veränderten Stimmung in der Gesellschaft und der Aussicht auf andere politische Mehrheiten jenseits der Großen Koalition?

Stegemann: Selbstverständlich sind viele Parteifreunde verunsichert und fragen, was da passiert und wie wir darauf reagieren sollten. Politisch nehme ich eine wachsende Dialogbereitschaft in unseren Reihen, aber auch gegenüber den Grünen wahr. Ich denke, dass wir die Agrarpolitik weiterhin an den gesellschaftlichen Erwartungen genauso wie an dem tatsächlich Machbaren ausrichten müssen.

AGRA-EUROPE: Bereits seit einigen Jahren nehmen sich die Grünen intensiv der Agrarpolitik an. Ist Ihnen da eine Konkurrenz erwachsen, der Sie sich mehr stellen müssen als Ihnen lieb ist?

Stegemann: Selbstverständlich akzeptieren wir die Grünen auch in der Agrarpolitik als demokratischen Mitbewerber, mit dem wir uns auseinandersetzen. Wir haben unsere Grundüberzeugungen. In der Agrarpolitik bedeutet das, wir haben mehr als die Grünen die Belange der Bauernfamilien im Auge, die mit ihrer harten Arbeit auch ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Wir wollen Lösungen mit ihnen gemeinsam entwickeln und nicht auf deren Rücken. Wir wollen die Bäuerinnen und Bauern mitnehmen, wenn es um Veränderungen geht, anstatt sie mit Maximalforderungen zu konfrontieren und sich auf ihre Kosten zu profilieren.

AGRA-EUROPE: Ginge Schwarz und Grün in der Bundesagrarpolitik?

Stegemann: Es ist kein Geheimnis, dass ich ein Anhänger einer Jamaika-Koalition war und es sehr schade fand, dass sie nicht zustande gekommen ist. Ich glaube, wir hätten auch in der Agrarpolitik einiges hinbekommen können. Es hat nicht sollen sein und deswegen warten wir ab, welche Mehrheiten sich nach der nächsten Bundestagswahl ergeben. Dann wird man sehen, mit wem am meisten Unionspolitik umzusetzen sein wird, auch in der Agrarpolitik. Sollten das die Grünen sein, wird das für unser Gebiet spannend. Landwirtschaft ist ein hochemotionales Thema, sie ist Teil der Gesellschaftspolitik geworden.

AGRA-EUROPE: An dem aber keine Koalition scheitern wird…

Stegemann: Nein. Das ist sicher so, auch wenn es immer noch Verbandsvertreter geben soll, die der Meinung sind, man ringt zuerst um Gemeinsamkeiten bei den Agrarthemen, um anschließend den Rest abzuräumen.

AGRA-EUROPE: Was wäre die Chance einer schwarz-grünen Agrarpolitik?

Stegemann: Dass man endlich mal aus der politischen und gesellschaftlichen Konfrontation herausfindet und die Grünen sich auf Bundesebene beweisen müssen. Die Erfahrungen in einigen Ländern, in denen wir geräuschlos zusammenarbeiten, zeigen, es kann funktionieren.

AGRA-EUROPE: Und das Risiko?

Stegemann: Dass die Grünen überziehen und die Ideologen die Oberhand haben. Auch dafür kennen wir Beispiele auf Länderebene.

AGRA-EUROPE: Fallen einem Niedersachsen, in dem die Auseinandersetzung zeitweise sehr hart geführt wurde, schwarz-grüne Gedanken in der Agrarpolitik besonders schwer?

Stegemann: Politik wird von Menschen gemacht. In Niedersachsen sind die Grünen nach meinem Eindruck auch in der Agrarpolitik seit jeher deutlich weniger pragmatisch eingestellt als in anderen Ländern oder auch teilweise hier im Bund. Der Erfolg hängt also immer ein Stück weit an den Köpfen, mit denen man Politik macht. Mit den einen geht es besser, mit den anderen schlechter. Dabei gilt aber auch, dass die Radikalität, mit der manche politische Forderung erhoben wird, sehr davon abhängt, ob man sie aus der Opposition heraus stellt oder politische Verantwortung trägt. Wenn die Grünen tatsächlich den Anspruch haben, Volkspartei zu sein oder auch Verantwortung übernehmen zu wollen, werden sie sehr schnell merken, wie wichtig es ist, Kompromisse zu akzeptieren und nicht nur Maximalforderungen zu stellen, nur um nachher ihren Unmut kundzutun, wenn die nicht erfüllt wurden.

AGRA-EUROPE: Was ginge mit den Grünen einfacher als mit der SPD in der Agrarpolitik?

Stegemann: Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass wir mit der SPD derzeit fair und lösungsorientiert bei vielen agrar- und ernährungspolitischen Themen zusammenarbeiten. Ich glaube aber auch, dass möglicherweise und trotz aller Auffassungsunterschiede ein Austausch über agrarfachliche Themen einfacher wäre, weil das Thema „Landwirtschaft“ bei den Grünen einen anderen Stellenwert hat als in der SPD. Das zumindest ist meine Hoffnung als junger Abgeordneter. Ich räume aber ein, die kann sich auch als trügerisch erweisen.

AGRA-EUROPE: Gilt das auch für eine Diskussion um die neuen Molekularen Techniken in der Pflanzenzüchtung, bei der Sie mit der SPD offenbar auf keinen gemeinsamen Nenner kommen?

Stegemann: Das wäre eine der spannenden Fragen, die wir mit den Grünen offen diskutieren würden. Ich vernehme durchaus erste Signale, dass manche Akteure bei den Grünen die dogmatische Ablehnung neuer Züchtungstechnologien zu hinterfragen beginnen. Das Thema ist zu wichtig, um nicht alle Anstrengungen zu unternehmen, voran zu kommen. Wir sind überzeugt, dass wir unterscheiden müssen zwischen einer Genschere CRISPR/Cas und einer tatsächlichen Genmanipulation. Wir sind auch überzeugt, wir brauchen ein neues europäisches Gentechnikrecht, das den modernen Züchtungstechniken gerecht wird. Dafür lohnt der Schweiß am Ende.

AGRA-EUROPE: Sollte die Große Koalition in den nächsten Monaten platzen, was wohl niemand ausschließen kann, wie fiele die Bilanz für Ihren Zuständigkeitsbereich aus?

Stegemann: Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und wir wollen weiterarbeiten. Das reicht von der bereits erwähnten zweijähren, aber letztmaligen Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration über die dauerhafte Verlängerung der 70-Tage-Regelung für Saisonbeschäftigte, die Mobilisierung von Dürrehilfen im letzten Jahr bis zur wiederholten Aufstellung eines Agrarhaushalts auf einem Niveau, wie es bisher noch nicht erreicht wurde. Das wird uns im Übrigen auch für den Haushalt 2020 gelingen.

AGRA-EUROPE: Rund zwei Drittel der Haushaltsmittel gehen in den Bereich der agrarsozialen Sicherung. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft wird weitergehen. Erwarten Sie eine Diskussion um die Eigenständigkeit des landwirtschaftlichen Sozialversicherungssystems?

Stegemann: Das hängt ganz entscheidend von den politischen Verhältnissen ab. Es gibt Parteien wie unseren Koalitionspartner, die neigen eher zu einer Überführung in die allgemeinen Systeme. Ich nehme zur Kenntnis, dass unser eigenständiges soziales Sicherungssystem der Landwirtschaft wettbewerbsfähig ist und sehr gut den spezifischen Interessen der Interessen der Landwirtschaft Rechnung trägt. Wir stehen daher zum System und werden uns mit Nachdruck für dessen Fortbestand einsetzen.

AGRA-EUROPE: Union und SPD haben nach wie vor keine abgestimmte Position zur Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020. Braucht es die überhaupt noch?

Stegemann: Für uns ist die Beibehaltung der Ersten Säule mit einer starken einkommenspolitischen Komponente eine Kernforderung, die nicht zur Disposition steht. Wir sehen, dass die Direktzahlungen auch umwelt- und naturschutzpolitischen Zielen oder auch dem Klimaschutz dienen müssen. Wir sind offen für eine Weiterentwicklung auf europäischer Ebene, dürfen aber nicht aus den Augen verlieren, dass in vielen Betrieben bis zur Hälfte des Betriebseinkommens aus der Flächenprämie der Ersten Säule stammt. Wer den Strukturwandel weiter anheizen will, schmelzt die Direktzahlungen ab.

AGRA-EUROPE: Umgekehrt kann man aber auch sagen, je weniger überzeugend der Einsatz der EU-Agrargelder erfolgt, desto schwieriger wird es, sie künftig auf einem vergleichbaren Niveau zu halten…

Stegemann: Daher werden wir auch nicht müde, für unseren Ansatz einer Weiterentwicklung der Direktzahlungen zu werben.

AGRA-EUROPE: Die Kanzlerin hat nach der Europawahl gesagt, in der Klimapolitik gebe es jetzt kein „Pille-Palle“ mehr. Was heißt das für die Landwirtschaft?

Stegemann: Die Landwirtschaft hat genau wie jede andere Branche auch eine Verantwortung in der Klimapolitik. Nicht mehr und nicht weniger. Das Klimaschutzgesetz soll bis Ende des Jahres kommen und da werden wir auch unseren Beitrag zu leisten müssen. Ich glaube, dass die Landwirtschaft gute Chancen hat, das in den Griff zu bekommen.

AGRA-EUROPE: Sie meinen höhere Anforderungen an die Erfüllung von Emissionsreduktionsvorgaben. Wie soll das erfolgen?

Stegemann: Ich nenne nur die Stichworte Waldstrategie und Humusaufbau, der in der geplanten Ackerbaustrategie eine wichtige Rolle spielen könnte. Weitere Möglichkeiten ergeben sich daraus, über Innovationen klimaeffizienter zu werden. So lässt sich beispielsweise der Methanausstoß in der Viehhaltung über Futtermittelzusätze spürbar senken. Wir haben einen ganzen Katalog von Möglichkeiten. Allerdings werden wir darauf zu achten haben, dass das wettbewerbsneutral erfolgt und die hiesigen Landwirte nicht erneut ins Hintertreffen gegenüber ihren Kollegen in anderen EU-Ländern geraten.

AGRA-EUROPE: Sie kennen die alte Diskussion um Zielkonflikte zwischen Emissionsschutz und Tierwohl. Wann macht die Koalition hier endlich ihre Hausaufgaben?

Stegemann: Unser Ziel ist, dass mehr Tierwohl nicht am Emissionsrecht scheitert. Dazu führen wir intensive Gespräche. Es kann nicht sein, dass jemand zum Beispiel infolge des Kastenstandurteils seinen Stall erweitern muss, oder weil er freiwillig an einem besonderen Tierwohlprogramm teilnimmt, er aber dafür keine Baugenehmigung bekommt. Bauliche Veränderungen ohne Aufstockung der Tierzahlen müssen baurechtlich unproblematisch ermöglicht werden.

AGRA-EUROPE: Das Bauministerium ist nach meinem Kenntnisstand in Unionshand. Warum ist die Umsetzung trotzdem so schwierig?

Stegemann: Es geht voran und allmählich kommen wir in die parlamentarische Beteiligung. Ich bin zuversichtlich, dass wir noch in diesem Jahr etwas vorweisen werden.

AGRA-EUROPE: Gibt es die GroKo noch, wenn wir das Sommerinterview 2020 führen?

Stegemann: Wir sollten nicht spekulieren, sondern weiterhin verlässlich arbeiten – für die Menschen auf dem Land, für die Bauernfamilien und für die Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich täglich auf hochwertige Lebensmittel aus Deutschland verlassen..

AGRA-EUROPE: Nachdem die CDU 20 Jahre auf die Besetzung des Bundeslandwirtschaftsministeriums gewartet hat und Sie jetzt feststellen müssen, dass selbst Julia Klöckner sich gewaltig ins Zeug legen muss, um Erfolge vorzuweisen, sollten beim nächsten Mal lieber wieder andere zum Zuge kommen?

Stegemann: Julia Klöckner hat sich mächtig ins Zeug gelegt und kann daher auch Erfolge vorweisen, wie zum Beispiel die Reduktions- und Innovationsstrategie zur Reduzierung von Zucker, Salz und Fetten in Fertiglebensmitteln. Das Landwirtschaftsministerium war und ist anspruchsvoll und bietet politisch viele Gestaltungsmöglichkeiten für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, für den Zusammenhalt zwischen Stadt und Land – also genau richtig für die CDU.

AGRA-EUROPE: Vielen Dank für das Gespräch. AgE