Bhattacharjee: Trump steht vor der schwierigen Aufgabe, ein tief gespaltenes Land zu einen

Wahlkreis - 15. November 2016

Julia Bhattacharjee war bis vor kurzem in meinem Berliner Büro als studentische Mitarbeiterin tätig. Derzeit macht sie ein Praktikum im Büro der Vereinten Nationen für Abrüstungsfragen (UNODA) in New York City. Hier schildert sie ihre Eindrücke zur Präsidentschaftswahl in den USA:

Am vergangenen Dienstag wählten die Amerikaner ihren neuen Präsidenten. Das Wahlergebnis hätte überraschender nicht ausfallen können und so rieb sich das liberale New York am Mittwochmorgen immer noch verwundert die Augen, bevor einige Menschen auf die Straße gingen und „not my president“ riefen. Ich verfolgte die Wahlnacht auf Hillary Clintons Wahlparty und spürte die Fassungslosigkeit, die um sich griff, als Bundesstaat um Bundesstaat an die Republikaner ging.

Hillary Clinton hatte sich an diesem Abend dazu entschieden, nicht mit den Menschen zu sprechen, die gekommen waren, um sie zu unterstützen. Anthony Musa hatte dies besonders schwer getroffen. Der 24-jährige amerikanische Student macht zusammen mit mir ein Praktikum bei den Vereinten Nationen und hatte Clintons Wahlkampf tatkräftig unterstützt. Er führte im Vorfeld unzählige Telefonate um Wählerstimmen zu sichern, hatte Hillary Clintons Wahlkampfteam nach Philadephia begleitet, mir das amerikanische Wahlsystem erklärt und auch erläutert, weshalb die Amerikaner immer an einem Dienstag wählen. Am Ende hatte es nicht gereicht.

Am Tag danach diskutierten die Amerikaner in Radioshows darüber, wie sie das Ergebnis ihren Kindern erklären könnten und welche Veränderungen eine neue Migrationspolitik bringen würde. Es wurde auch evaluiert, ob eine Auswanderung nach Kanada eine Option sei. Darüber hinaus wurde bekannt, dass rund 11.000 US-Bürger für den toten Gorilla Harambe auf ihrem Wahlzettel gestimmt hatten. Die New Yorker wirkten betroffen und nachdenklich, die übliche Hektik schien kurz auszusetzen und der Sprachlosigkeit zu weichen.

Oval Office könnte Trump zähmen

Zwei Tage nach der Wahl wurde in New York zwar noch demonstriert, aber vor allem nach vorne geschaut. Vielleicht begründete sich die neugewonnene Zuversicht darin, dass die US-Börse nach Trumps Sieg auf ein Rekordhoch stieg und nicht, wie erwartet, einbrach. Wahrscheinlich hatte aber auch Präsident Obama seinen Anteil am Stimmungswandel. Am Mittag empfing er Donald Trump im Weißen Haus und beide schlugen trotz ihrer turbulenten Vorgeschichte recht versöhnliche und respektvolle Töne an. Mehr noch: Neben Barack Obama wirkte Trump fast schüchtern.

Wie auch immer Donald Trump seine Präsidentschaft gestalten wird, ich bin mir sicher, dass das Oval Office ihn zähmen wird. Seine Anhänger wählten ihn, weil sie sich gegen eine erneute Herrschaft des Establishments ansahen und seine politischen Gegner fürchten nun seine Unberechenbarkeit. Feststeht, der Führer der freien Welt wird sich schnell in sein Amt einfinden müssen und die schwierige Aufgabe haben, ein tief gespaltenes Land zu einen.“

Text von Julia Bhattacharjee